Ausführliches Gespräch mit dem neuen BHV Nord-Chef zum Thema Entwicklung des Handballs in der Nord-Region von Mecklenburg-Vorpommern
ROSTOCK. Von den Delegierten der 15 BHV-Mitgliedervereinen wurde Rainer Voß zum neuen Vorsitzenden des Bezikshandballverbandes Rostock/ MV Nord gewählt. Zu seinem Amtsantritt stellte NNN-Mitarbeiter Klaus-Peter Kudruhs dem 60-Jährigen einige Fragen zur künftigen Arbeit für den Handball der Region.
Herr Voß, sie haben sich der Wahl zum BHV-Vorsitzenden gestellt und erhielten den Zuschlag. Stimmen. Ist das ein Vertrauensvorschuss für die Zeit ab 1. Juli?
Ich bin seit mehr als 25 Jahren im Rostocker Handball in verschiedenen Funktionen aktiv, bin also nicht gänzlich unbekannt in der Szene. Da in den vergangenen 30 Jahren lediglich zwei Sportfreunde die Funktion des Vorsitzenden prägten, freut es mich natürlich, dass die Vereine mir die weitere Führung des Bezirksverbandes zutrauen.
Im Nachhinein war es mehr oder weniger eine Diskussion über die Beachhandball-Tage. Gibt es nicht brennende Themen im BHV Nord?
Natürlich sehnen wir uns alle die schnellstmögliche Rückkehr zum Regelbetrieb in den Sporthallen herbei. Die Entscheidungen hierzu fallen aber in anderen Gremien. Mit den ersten für uns relevanten Lockerungen wurde ein angepasster Trainingsbetrieb in den Vereinen wieder aufgenommen, um ihn dann Stück für Stück auszubauen.
Für ein bloßes Kommentieren der gegenwärtigen Situation und ein Spekulieren über kommende Maßnahmen war der Bezirkstag aber nicht der richtige Ort, zumal die Beach-Handball-Tage durchaus eine Relevanz für unserer Mitgliedsvereine haben. Nicht nur, dass diese Veranstaltung in der Satzung des BHV Nord steht, sie leistet auch einen gewichtigen Beitrag zum Haushalt des Verbandes. Deshalb halte ich es für richtig, von unseren Mitgliedsvereinen eine angemessene Unterstützung einzufordern, was aber nicht jeder Verein bereit ist zu leisten. Diese Diskussion haben wir bereits seit einiger Zeit. Da auch diesmal das Stimmungs- und Meinungsbild nicht eindeutig war, wird uns das Thema zwangsläufig weiter beschäftigen. Ich erwarte ohnehin, dass Beachhandball mehr in den Focus rückt, was auch auf dem Bezirkstag in Nebensätzen anklang.
Für diesen Sommer fällt Beachhandball komplett aus. Gibt es Konzepte für 2021 und dann danach?
Das Thema haben wir ja im Land komplett verschlafen. Wenn Beachhandball in Kürze olympisch wird, müssen wir uns ihm auf jeden Fall widmen. Trotz bester natürlicher Gegebenheiten im Land fristet der Beachhandball bei uns noch ein Nischendasein als Hobby feierfreudiger Handballer. Hier gilt es für die Verbände, BHV Nord und HVMV, ein geeignetes wegweisendes Konzept zu erarbeiten und diesen Sport in die Vereine zu tragen. Ebenso gilt es, unser Vorzeige-Event Rostocker Beach-Handball-Tage weiter zu entwickeln, damit es auch zukünftig unseren Gästen aus dem gesamten Bundesgebiet ein positives Bild von der Sportstadt Rostock mit auf den Weg gibt.
Rückgang der Mitgliederzahlen und der Mannschaften. Ist das nur mit der Anzahl von 15 Vereinen im Wirkungsbereich Nord zu erklären?
Das Problem der rückläufigen Mitgliederzahlen ist erkannt und wird auch angepackt. Im vergangenen September habe ich erstmals die Vereinsvorsitzenden und Abteilungsleiter zu einer Gesprächsrunde „Mitglieder werben“ eingeladen. Das Phänomen der schwindenden Mitgliederzahlen ist aber im gesamten DHB festzustellen. Dort wird derzeit über Maßnahmen, die dem entgegenwirken, beraten. Die Ergebnisse werden sicher in unsere Aktivitäten einfließen. Abwarten sollten wir aber nicht mehr, die Arbeit muss ohnehin an der Basis getan werden. Da wir nur 15 Mitgliedsvereine im Bezirksverband Nord haben, zeigen sich die Auswirkungen des Mitgliederschwunds nur eher und drastischer. Dass wir in den letzten 20 Jahren rückläufige Mitgliederzahlen zu verzeichnen haben, ist ja nicht nur dem demografischen Wandel oder der Gebietsreform 2012 im HVMV geschuldet. In vielen Kinderzimmern stehen heute Fernseher, Spielkonsolen und anderes mehr. Viele Kinder haben schon recht früh eigene Handys, aber auch die Ganztagsschulen bieten oftmals ein abwechslungsreiches Programm für ihre Schüler. Das alles steht natürlich in Konkurrenz zum Vereinssport.
Wie sehen die Handball-Vereine die Situation?
Unseren Vereinen ist es bisher nicht gelungen, diese Entwicklung mit geeigneten Maßnahmen aufzuhalten. Weniger Kinder und Jugendliche bedeuten auch weniger Mannschaften, die trainiert und zu einer Meisterschaft gemeldet werden können. Trainerstellen wurden abgebaut und nicht mehr benötigte Hallenzeiten abgegeben. In unserer Gesprächsrunde erörtern wir Wege und Möglichkeiten, diesen unseligen Dreiklang ‚keine Sportler, keine Trainer, keine Hallenzeiten – aufzubrechen. Das Interesse der Vereine nimmt zu und es zeigt sich, dass wir noch lange nicht alles getan haben, um wieder mehr Kinder und Jugendliche für unseren Sport zu begeistern.
Einige Teams können nur noch in den Verbänden Ost und West spielen, weil im Norden keine Liga-Stärke vorhanden ist?
Sie haben Recht, wenn wir aufgrund geringer Meldezahlen keine eigene Liga spielen können, nehmen diese Mannschaften in den Bezirksverbänden Ost und West am Spielbetrieb teil. Gerade hier zeigt sich die Notwendigkeit, durch Mitgliederzuwachs wieder mehr Mannschaften in den Spielbetrieb zu bringen und mehr eigene Meisterschaften zu spielen. Es ist nicht wirklich einzusehen, dass Kinder im Grundschulalter durch das halbe Land zum nächsten Punktspiel fahren müssen, was unnötig viel Zeit und Geld kostet. Leisten wir gerade im Grundschulalter gute Arbeit bei der Mitgliedergewinnung, haben wir in den folgenden Jahren ein Problem weniger. Aber möglicherweise deutet sich bereits für die kommende Saison ein Umschwung an.
Der neue BHV-Vorstand ist nur mit vier Mitgliedern besetzt. Warum sind andere Positionen vakant?
Hier sehe ich unsere Mitgliedsvereine in der Verantwortung. Als mein Vorgänger vor einem Jahr seinen Rückzug ankündigte, haben wir die Vereine aufgefordert uns ihre Kandidaten für den neuen Vorstand zu benennen. Es ist bei vier Nennungen geblieben. Ich werde also diese Aufforderung bei Gelegenheit wiederholen müssen. Der neue Vorstand wird natürlich auch selbst nach geeigneten Kandidaten für die vakanten Posten suchen.
Bei allem Lob für die lange Arbeit Ihres Vorgängers, muss nicht einiges anders gemacht werden, um im BHV Nord zu bestehen, ja zu überleben?
Volker Schnepel übergibt einen arbeitsfähigen und aktiven Bezirkshandballverband. Wir haben kompetente und engagierte Mitstreiter in unserem Vorstand und in den Leitungen und Vorständen der Handballvereine und -abteilungen. Allein aus dem Personalwechsels an der Spitze leite ich keine Notwendigkeit von Änderungen ab.
Aber es muss doch vorwärts gehen, will man mit anderen Sportarten mithalten?
Aber ja, natürlich wird es Weiterentwicklungen geben. Wir wollen als Verband ja nicht stehen bleiben. In den nächsten Tagen stimmt sich der neue Vorstand zu den ersten Schritten und Themen ab. Parallel dazu werde ich das Gespräch mit Sportfreunden aus den Vereinen suchen, um mir einen detaillierteren Überblick über deren Situation zu verschaffen und um hier und da auch neue Ideen für unsere Arbeit zu erhalten. Sicher wird auch ein Thema sein, wie wir zukünftig miteinander kommunizieren wollen. Generell würde ich mir mehr Meinungsfreude von den Vereinsvertretern wünschen.
Rostock war mal eine Hochburg des Handballsports. Was soll von Ihnen und ihrer Crew als Erstes angepackt werden, damit man zumindest wieder einen Schritt in diese Richtung machen kann?
Für mich ist das das Thema Mitgliedergewinnung. Meine Mitstreiter sehen das Problem ebenso. Jetzt müssen wir daraus ein gemeinsames Handeln machen, was bisher nicht der Fall war. Nach meiner Auffassung müssen wir für eine nachhaltige Lösung das Übel bei der Wurzel packen und den Trend des Mitgliederschwunds stoppen und umkehren. Gelingt uns das, beginnen wir gleichzeitig mit der Lösung einiger anderer Probleme für die Zukunft. Wir gewinnen ja nicht nur aktive Spieler, sondern auch Schieds- und Kampfrichter, Übungsleiter, Betreuer und Funktionäre. Und alle sind wichtig für einen funktionierenden Sport. Das wird ein Marathon, kein Sprint.
Ich danke für die ausführliche Beantwortung der Fragen in Sachen Handball im Norden des Landes.
Text: Klaus-Peter Kudruhs
Foto: Johannes Weber
Der neugewählte Vorsitzender des BHV Nord Rainer Voß (hier mit Anja Schultz von der Pädagogik-Beachmannschaft